Datenmodelle legen fest, wie Daten von Anwendungen und Systemen präsentiert und empfangen werden. Die Standardisierung dieser Modelle im Industrial Unified Namespace (UNS) ist entscheidend, um die langfristige Skalierbarkeit der Architektur zu gewährleisten. Dabei erfolgt die Definition von Datenmodellen in der Praxis entweder durch die Entwicklung eigener Modelle oder der Nutzung anerkannter Industriestandards (z. B. OPC UA Companions). Da die Anwendung dieser Standards noch in den Anfängen steckt, setzen viele Unternehmen auf eigene Datenmodelle. Zwar mag die Definition eigener Modelle zunächst komplex wirken, doch durch eine schrittweise Herangehensweise und die Fokussierung auf spezifische Use-Cases wird diese Aufgabe deutlich einfacher. In diesem Artikel finden Sie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Datenmodellierung im Unified Namespace (UNS).
Was ist ein Daten Model im Kontext des Unified Namespace (UNS)?
Vor der Ära des Internets der Dinge (IoT) lag der Fokus der Betriebstechnik (OT) auf Echtzeitüberwachung und Steuerung. Systeme wurden hauptsächlich darauf ausgelegt, robust und effizient zu arbeiten, ohne große Berücksichtigung von Datenanalysen oder komplexen Integrationsszenarien. Daten wurden pragmatisch und zweckorientiert genutzt, oft in herstellerspezifischen, proprietären Datenmodellen.
Mit dem Aufkommen von IoT hat sich dieses Paradigma grundlegend verändert. Heute erkennen Unternehmen den enormen Wert von strukturierten und standardisierten Daten. Data Modeling ist der Prozess, OT-Daten zu strukturieren, kontextualisieren und standardisieren. Dabei bildet das Datenmodell die Grundlage bei der Datenmodellierung im Unified Namespace (UNS). Ein Datenmodell definiert die Struktur, Organisation und Beziehungen von Daten innerhalb des UNS. Es dient als Blaupause für die Entwicklung von Datenbanken und Applikationen bzw. ist davon abgeleitet. In einem Datenmodell werden folgende Aspekte festgelegt:
- Entitäten
- Beschreiben die grundlegenden Datenobjekte, die im Unified Namespace (UNS) abgebildet werden.
- Beispiele: Maschine, Sensor, Produktionsauftrag
- Attribute
- Beschreiben die Eigenschaften der Entitäten.
- Beispiele: statische Eigenschaften (z. B. Herstellerinformationen), dynamische Eigenschaften (z. B. Zeitstempel, Status oder Temperatur).
- Beziehungen
- Beschreiben, wie Entitäten oder Attribute miteinander verbunden sind.
- Beispiel: Ein Produktionsauftrag besteht aus mehreren Unteraufträgen (Auftragsnetz)
- Datentypen,
- Geben an, welchen Typ Daten ein Attribut enthalten kann.
- Beispiele: Integer, String, Boolean, Zeitstempel.
Warum ist Datenmodellierung essenziell im Unified Namespace (UNS)?
Vor der Einführung in den Schritt-für-Schritt-Leitfaden zur Datenmodellierung im UNS ist eine präzise Darstellung ihrer zentralen Bedeutung unerlässlich. Die nachfolgenden Punkte verdeutlichen diese.
1. Interoperabilität und Integration
Moderne Fertigungsumgebungen bestehen aus einer Vielzahl von Systemen und Geräten unterschiedlicher Hersteller. Data Modeling stellt eine gemeinsame Sprache und Struktur für die Datenrepräsentation bereit. Dies ermöglicht:
- Nahtlose Integration verschiedener Systeme.
- Kompatibilität über das gesamte Ökosystem hinweg.
- Reduktion von Datensilos und Kommunikationsbarrieren.
2. Konsistenz und Qualität der Daten
Standardisierte Datenmodelle sorgen für Einheitlichkeit und Genauigkeit in allen Prozessen. Vorteile sind:
- Verbesserte Datenqualität durch definierte Semantiken und Datenformate.
- Reduzierte Fehler und eine verlässlichere Entscheidungsfindung.
- Klare Datenbeziehungen für eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen OT- und IT-Systemen.
3. Skalierbarkeit und Flexibilität
Fertigungssysteme entwickeln sich ständig weiter. Data Modeling schafft eine skalierbare Grundlage, die:
- Die Integration neuer Technologien erleichtert.
- Flexibilität für sich ändernde Anforderungen bietet.
- Langfristig Innovation und Wachstum unterstützt.
4. Effektive Datenanalyse und Erkenntnisse
Data Modeling ermöglicht die Aggregation und Analyse großer Datenmengen. Dies fördert:
- Nutzung von KI und Machine Learning zur Optimierung von Prozessen.
- Identifikation von Mustern und Anomalien.
- Datengetriebene Entscheidungen, die Effizienz und Produktivität steigern.
Schritt 1: Use-Cases priorisieren
Identifizieren und priorisieren Sie relevante Use-Cases für Ihren Industrial Unified Namespace (UNS) auf Basis einer Aufwand-Nutzen-Analyse. Berücksichtigen Sie dabei die spezifischen Anforderungen aller relevanten Stakeholder. Dazu gehören:
- OT-Experten (z. B. Steuerungstechniker): Kennen sich mit relevanten Fabriksystemen aus (z.B. Maschinen oder zentralen SPSen) und wissen, wie auf die Daten zugegriffen werden kann.
- IT-Experten (z. B. IT-Verantwortlicher für Fabrik oder Unternehmens-IT): Verstehen den Zugriff auf relevante Unternehmens- oder Cloud-Systeme (z.B. Tableau oder ERP) und wie die Daten für diese Zielsysteme bereitstellt werden müssen.
Fokussieren Sie sich zu Beginn auf einfach zu implementierende Use-Cases, welche einen hohen Nutzen bringen. Beispiele hierfür sind Monitoring oder grundlegende Datenanalysen, wie die Berechnung von KPIs (z. B. OEE). Solch einfache Anwendungsfälle bieten eine gute Grundlage zum Erstellen eines Datenmodells und stellen gleichzeitig sicher, dass das Datenmodell den praktischen Anforderungen entspricht.
Schritt 2: Relevante IT/OT-Systeme bestimmen
Identifizieren Sie die relevanten Datenquell- und Zielsysteme für den priorisierten Use-Case und klären Sie folgende Punkte:
- Welche Daten sind notwendig, um Ihre Geschäftsziele zu erreichen? Zum Beispiel für die OEE-Analyse: Wie viele Teile wurden pro Maschine produziert?
- Welche Daten sind am Quellsystem verfügbar, und wie können diese abgerufen werden (z. B. Maschinenoutputs über xml-Dateien oder OPC-UA)?
- Wie erfolgt der Zugriff auf die Zielsysteme, und wie werden die Daten empfangen? Werden sie beispielsweise über eine REST-API oder über Datenbank Queries bereitgestellt?
- Gibt es ein spezielles Datenformat oder Datentyp, welches Ihr Zielsystem erwartet (z. B. JSON oder Buffer)?
- Wie häufig müssen die Daten aktualisiert werden, und was löst das Update aus (z. B. ereignisbasiert oder zyklisch, um Daten jede Sekunde zu übertragen)?
Fokussieren Sie sich zunächst auf die Anforderungen des von Ihnen priorisierten Use-Cases. Im Laufe der Zeit können Sie das Datenmodell anpassen und erweitern.
Schritt 3: Relevante Datenkategorien identifizieren
Ermitteln Sie die relevanten Datenkategorien, die für Ihren priorisierten Use-Case von Bedeutung sind (z. B. KPIs oder Maschinendaten). Dabei lassen sich Maschinendaten in der Regel in drei grundlegende Klassifikationen einteilen, die jeweils spezifische Anwendungsszenarien abdecken:
- Telemetriedaten: Diese Datenkategorie umfasst die Übertragung von Rohdaten vom Shopfloor an höhere Ebenen (z. B. Cloud-Analyse). Enthalten sind Rohdaten (z. B. Echtzeit-Temperatur, hochfrequente Vibrationsmessungen, regelmäßige Druckaktualisierungen) sowie wichtige Metadaten wie der Zeitstempel der Messung. Diese Kategorie ist besonders wichtig für Use-Cases wie das Monitoring und Datenanalysen.
- Befehl- und Steuerungsdaten: Diese Datenkategorie wurde traditionell auf die Asset- und Produktionsebene beschränkt, vor allem aufgrund der zeitlichen Sensitivität. Durch Fortschritte in hybriden Edge-to-Cloud Architektur werden jedoch zunehmend Steueraktionen mithilfe von höheren Ebenen automatisiert. Die Nachrichten enthalten typischerweise Produktauftragsdetails, Rezept- und Prozessparameter. Diese Datenkategorie ist entscheidend für komplexere Use-Cases, wie etwa automatisierte Entscheidungszyklen (closed-loop).
- Managementdaten: Bidirektionale Managementdaten spielen eine wichtige Rolle im umfassenden Maschinenmanagement. Sie beinhalten typischerweise dynamische und statische Asset Metadaten, wie z. B. die Maschinen-ID, Maschinenhersteller, Maschinenkonfigurationen oder Informationen zur letzten Wartung.
Jede dieser Kategorien hat unterschiedliche Anforderungen an die Datenkommunikation und -verarbeitung (z. B. Kritikalität, Frequenzen und Zielsysteme). Daher kann es ratsam sein, sie in getrennten Datenmodellen zu modellieren. Diese bewusste Trennung hilft, die Anforderungen für kritische und nicht-kritische Kommunikation zu adressieren und bildet die Grundlage für ein effektives Rollensystem (z.B. differenzierte Zugriffsrechte je nach Kritikalität der Daten). Fokussieren Sie sich im Folgenden auf die für den priorisierten Use-Case relevante Datenkategorie.
Schritt 4: Datenmodell im Unified Namespace (UNS) definieren
Definieren Sie das Datenmodel mit einem eindeutigen und aussagekräftigen Namen sowie Beschreibung. Bestimmen Sie das Datenformat, die Struktur sowie die notwendigen Use-Case Parameter. Dies beinhaltet unter anderem:
- Variablenname: Definieren Sie den Namen der Variable. Sorgen Sie dabei für Konsistenz bei Variablennamen in all Ihren Datenmodellen. Beispiel: Eine „timestamp“ Variable sollte auch immer als solche bezeichnet werden. Wenn Sie Schwierigkeiten haben, die Namen zu definieren, orientieren Sie an allgemein anerkannten Industriestandards wie ISA95 oder OPC UA Companions.
- Beschreibung: Fügen Sie zusätzliche Kontextinformationen hinzu, um die Daten leichter interpretierbar zu machen. Beispiel: „Wert=‘0‘: Manuell; Wert=‘1‘: Leerlauf; Wert=‘2‘: Automatisch“ für die Variable „CncOperationMode“.
- Einheit der Variable: Achten Sie darauf, die Einheiten über alle Datenmodelle hinweg konsistent zu halten (z. B. Temperatur immer in °C).
- Default Werte: Definieren Sie Default Werte (z. B. „0“ für „aus“ als Standardwert für den Maschinenstatus). Default Werte sind besonders wichtig in folgenden Fällen:
- Initialisierung: Das System muss mit vordefinierten Zuständen starten.
- Fallback: Backup-Werte werden verwendet, wenn bestimmte Daten fehlen oder nicht verfügbar sind.
- Datentyp: Achten Sie darauf, dass Datentypen über alle Datenmodelle hinweg konsistent sind (z. B. „String“ für die Maschinen-ID).
Schritt 5: Erweiterbarkeit und iterative Anpassung des Datenmodells
Die Datenmodellierung im Unified Namespace (UNS) ist kein einmaliger Prozess. Vielmehr müssen Datenmodelle im Laufe der Zeit an neue Anforderungen angepasst werden. Daher ist es wichtig, dass Ihr Datenmodell von Beginn an erweiterbar und flexibel gestaltet wird. Ein iterativer Anpassungsprozess, bei dem regelmäßig Feedback von Nutzern und Stakeholdern eingeholt wird, stellt sicher, dass das Datenmodell immer aktuellen Anforderungen entspricht. Durch eine Versionierung können Sie Änderungen am Datenmodell nachverfolgen und sicherstellen, dass frühere Versionen weiterhin unterstützt werden.
Schritt 6: Veröffentlichung im Unified Namespace (UNS)
Definieren Sie, wo innerhalb der MQTT-Topic-Hierarchie die Daten veröffentlicht werden sollen. Achten Sie dabei auf die Best Practices und folgen Sie den Leitlinien für die Gestaltung der Topic-Hierarchie (zur Information lesen sie bitte MQTT Topic Namespace: Best Practices & Schritt für Schritt Guide).
Schritt 7: Validierung des Datenmodells
Die Validierung des Datenmodells ist wichtig, um sicherzustellen, dass es die Anforderungen der Stakeholder erfüllt. Arbeiten Sie eng mit den beteiligten Partnern zusammen und testen Sie den Use-Case, um zu überprüfen, ob das Datenmodell korrekt implementiert ist. Integrieren Sie dabei das Zielsystem in den Unified Namespace (UNS) und stellen Sie sicher, dass das Datenmodell alle spezifischen Anforderungen der Zielsysteme genau widerspiegelt. Wenn das Datenmodell erfolgreich validiert wurde, können Sie mit der Implementierung in der Produktion fortfahren.
Schritt 8: Data Governance
Legen Sie klare Richtlinien für die Erstellung, Anpassung und Löschung von Datenmodellen fest und definieren Sie die entsprechenden Rollen und Verantwortlichkeiten. Nur so können Sie die Qualität und Konsistenz der Daten im Industrial Unified Namespace (UNS) gewährleisten.
Fazit
Ein klar strukturiertes und standardisiertes Datenmodell ist entscheidend für die erfolgreiche Implementierung und Skalierung eines Industrial Unified Namespace (UNS). Durch die Fokussierung auf konkrete Use-Cases, die schrittweise Entwicklung und iterative Anpassung können auch komplexe Anforderungen erfolgreich umgesetzt werden. Die Nutzung anerkannter Industriestandards oder die Erstellung eigener Modelle bildet dabei die Grundlage für eine nachhaltige und flexible Architektur.